Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

2.3         Von der Einzellerkolonie zum Mehrzeller

Beim Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller muss nicht mehr jede einzelne Zelle über alle Strukturen und Fähigkeiten verfügen, die beim ursprünglichen Einzeller vorhanden waren, sondern die Zellen können sich spezialisieren. Meist gewinnen sie dadurch keine neuen Fähigkeiten, sondern ihr Fähigkeitsspektrum wird kleiner.

Der Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller wird verständlich, wenn man bedenkt, dass Einzeller sich auch vegetativ durch Teilung vermehren können. Die Zelle bildet beispielsweise, sehr stark vereinfacht, eine neue Zellwand, so dass zwei voneinander getrennte Zellräume entstehen. Zuvor muss unter anderem die DNA des Zellkerns verdoppelt und auf zwei neue Kerne verteilt werden. Die Trennung der zwei Zellen geschieht durch eine Art Abschnürung, dies ist der letzte Schritt bei diesem Vorgang. Wenn man annimmt, dass alle durchzuführenden Schritte in der DNA linear in ihrer zeitlichen Reihenfolge codiert sind, wäre die Abschnürung der zwei entstandenen Zellen am Ende dieser Codierungskette angeordnet.

Wenn diese Abschnürung (um bei diesem Beispiel zu bleiben) aus irgendeinem Grunde unvollständig erfolgt, dann bleiben beide Zellen miteinander verbunden. Dazu reicht es aus, wenn der letzte Codierungsabschnitt - in dem diese Abschnürung vorgesehen ist - nicht abgearbeitet wird. Möglicherweise kann das Ende einer solchen Codierungskette beim Replizieren der DNA verlorengegangen sein oder seine Replikation wird von anderen Faktoren unterdrückt. So bleiben nach der asexuellen Vermehrung zwei Nachkommen zurück, die miteinander verbunden bleiben.

Tritt dies mehrfach auf, so entsteht eine Kolonie aus Zellen, die zumeist völlig identisch sind.

Solche Kolonien können sich oft bei Veränderungen der Umwelt - etwa Nahrungsmangel - wieder in ihre Einzelzellen auflösen. Dies lässt sich in der Praxis beobachten und häufig auch bewusst herbeiführen.

In solchen Kolonien beobachtet man hin und wieder, dass die anfänglich völlig identischen Zellen beginnen, sich zu differenzieren. So entstehen in der Kolonie Zellklassen mit unterschiedlichen Funktionen.

Es ist vorstellbar, dass die Fähigkeit zur Koloniebildung sich genetisch manifestierte und im Verlaufe von Jahrmillionen bei bestimmten Einzellerarten zum Standard wurde. Wenn dann die inzwischen aufgetretene Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Zellen der Kolonie ebenfalls in das Vererbungsprogramm aufgenommen wurde und sich in den Chromosomen manifestierte, so könnte man ab einer gewissen Entwicklungsstufe von einem mehrzelligen Lebewesen sprechen.

Hierbei blieben wesentliche Eigenschaften erhalten, so etwa die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung, ebenso die Fähigkeit zur asexuellen Vermehrung, etwa durch Teilung oder Sprossung.

Wir geben diesen mehrzelligen Eukaryota einen neuen Namen, der uns die spätere Unterscheidung erleichtert.

Definition: Lebewesen der Replikationsstufe 2: 

Die durch Verselbständigung der Kolonien von einzelligen Eukaryota entstehenden Lebewesen bezeichnen wir in dieser Monografie als Lebewesen der Replikationsstufe 2.

Die Herausbildung von Lebewesen der Replikationsstufe 2 wäre sicherlich im Sande verlaufen, wenn sie nicht erhebliche Vorteile gebracht hätte. Dies beginnt bereits bei der Koloniebildung. Der Hauptvorteil lag in der starken Größenzunahme. Mehrzellige Lebewesen waren einfach größer und konnten von den bisher existierenden Einzellern nicht so einfach gefressen werden, da sie diese größenmäßig übertrafen. Gewiss war es möglich, dass Einzeller Methoden entwickelten, um in das Innere des Mehrzellers zu gelangen und dort weiterzuleben. So könnten die ersten Parasiten entstanden sein. Doch die Mehrzeller entwickelten dagegen auch verschiedene Strategien.

Andererseits fanden auch die einzelligen Eukaryota Wege, die ihnen das Überleben in einer Welt der Mehrzeller erlaubten. Eine Größenzunahme war auch hier ein geeignetes Mittel, daher bildeten sich ebenso Einzeller mit riesigen Ausmaßen heraus.

Ernst Haekel entwickelte diese hier dargestellte Theorie:

Die Theorie, dass vielzellige Lebewesen vermutlich aus Kolonien von Einzellern entstanden sind, geht auf den deutschen Zoologen Ernst Haekel zurück. Molekularbiologische Untersuchungen stützen die Annahme, dass Pflanzen, Pilze und Tiere aus jeweils eigenen einzelligen Vorläufern entstanden sind.

Die Verselbständigung von Einzellerkolonien zu Mehrzellern kann im Verlauf der Evolution durchaus mehrfach und parallel entstanden sein. Dann wären die Mehrzeller nicht mehr auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückführbar. Dies liegt nahe, da es bereits bei den Einzellern eine unüberschaubare Menge von verschiedenen Arten gibt.



Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan