Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

7.5  Der Farbbegriff und das neuronale Farbdreieck des Nucleus olivaris

Die Farbanalyse mittels neuronaler Farbdreiecke ist der Hauptgrund dafür, warum wir ein farbiges Fernsehbild überhaupt farbig sehen können, obwohl es lediglich aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau besteht, oder alternativ aus drei anderen Grundfarben.

Es gibt zurzeit keine Leuchtdioden, deren monochromatische Lichtfarbe man elektronisch steuern kann. Wenn es solche Leuchtdioden gäbe und ihr Einsatz in Fernsehbildschirmen oder bei Computern und Handys wirtschaftlich wäre, könnte man auf dem Bildschirm in jedem Bildpunkt tatsächlich die Farbe zeigen, die dort zu sehen sein soll.

In den Neurowissenschaften wird der Begriff der Farbe heftig diskutiert. Aus Sicht eines Mathematikers ist Farbe etwas außerhalb des Gehirns Existierendes und streng wissenschaftlich beschreibbar. Die Farbe eines Lichtes wird von der Wellenlänge bestimmt. Und diese Wellenlänge existiert unabhängig vom Gehirn der Wirbeltiere. Aber Wirbeltiere haben einen Algorithmus entwickelt, um die Wellenlänge des gesehenen Lichtes zu ermitteln.

Und als Nebenergebnis dieses Algorithmus haben sie die Fähigkeit erlangt, einem Wellenlängengemisch einen Farbwert zuzuordnen, weil ein Wellenlängengemisch im neuronalen Farbdreieck des Nucleus olivaris durch additive Farbmischung den gleichen Eindruck erzeugt wie die reine, also monochromatische Ersatzfarbe. Hier abstrahieren die Wirbeltiere vom physikalisch exakten Farbbegriff, der an eine konkrete Wellenlänge gebunden ist, und bilden Klassen von Farbgemischen, denen sie eine wohldefinierte Farbe zuordnen.

Ähnliches beobachtet man in der Mathematik. Die Zusammenfassung von Zahlendifferenzen von natürlichen Zahlen führt zur Klasse der ganzen Zahlen. Danach repräsentiert zwar jede ganze Zahl eine unendlich große Menge von Zahlendifferenzen, wird aber im Prinzip behandelt wie ein Einzelobjekt. Eine Temperatur von -5 °C wird bei keinem den Eindruck erwecken, es sei eine unendliche Menge von Temperaturdifferenzen gemeint. Ebenso stellen wir uns unter der Farbe Gelb keine unendlich große Menge von Farbmischungen vor, die letztlich als Gelb bezeichnet wird. Die gruppentheoretische Deutung solcher Klassenbildungen wird trivialerweise im realen Leben vernachlässigt und ist nur noch den Theoretikern des entsprechenden Wissenschaftsgebietes voll bewusst. Insofern kann die Farblehre durchaus gruppentheoretische Aspekte beinhalten.

In Zukunft wird es sinnvoll sein, das Cerebellum nach seiner vorwiegenden Betriebsart zu unterteilen. Eine dieser Betriebsarten ist die Signalinversion, die unter anderem in Vestibulo- und Spinocerebellum angewendet wird. Wir könnten solche Cerebellumstrukturen als Inversionscerebellum bezeichnen. Ist dagegen die Prägung von Purkinjegruppen die Hauptaufgabe einer solchen cerebellaren Struktur, so würden wir es auch als Prägungscerebellum bezeichnen. Dies träfe für das Pontocerebellum zu. Im Hinblick auf die beschriebene Farberkennung arbeitet das Cerebellum als reines Inversionssystem.


Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan