Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

7.6  Die Farbkonstanz - eine funktionentheoretische Gesetzmäßigkeit

Das Besondere dieser Interpolationsschaltungen und Inversionsschaltungen in der Amygdala und im Nucleus olivaris und Cerebellum besteht in der Gewährleistung der Farbkonstanz. Die Codierung der Farbe über das Minimum bzw. Maximum von Erregungen, die sich aus der Erregungsüberlagerung von konvexen bzw. konkaven Funktionen ergeben, ist invariant gegenüber der Multiplikation aller Inputerregungen mit dem gleichen Faktor. Es erhöhen sich zwar die absoluten Feuerraten der Signale, aber der Ort des Extremwertes bei der Überlagerung bleibt der gleiche. Dies ist genau die Farbkonstanz, die in der Realität beobachtet wird. Sie benötigt keinerlei höhere Intelligenz, sondern ist naturgegeben und gesetzmäßig. Sie folgt aus der Invarianz des Extremwertes einer Funktion gegenüber einer einfachen Multiplikation mit einem Faktor ungleich Null. Die Verarbeitung visueller Signale durch die Amygdala und durch das Cerebellum ist inzwischen allgemein anerkannt und gesichert. Diese Monografie zeigt erstmalig den (möglicherweise) benutzten Algorithmus auf.

Neben der Variante der Farbanalyse durch ein horizontales Divergenzgitter im Nucleus olivaris existiert rein theoretisch die Möglichkeit, dass die Farbauswertung durch ein vertikales Divergenzgitter im Nucleus olivaris vorgenommen wird. Gegen diese Variante sprechen allerdings vorwiegend topologische Gründe, außerdem müsste die Farbauswertung dann für den Rot-Grün-Kanal und den Blau-Gelb-Kanal getrennt erfolgen und würde zwei Resultate liefern, die in einem weiteren Schritt zu einem Endresultat zusammengefasst werden müssten. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass bereits in der Amygdala eine Farbanalyse über vertikale Divergenzgitter erfolgt. Identische doppelte Systeme sind eine Verschwendung von Ressourcen und daher nachteilig. Für das Vorhandensein von horizontalen Divergenzgittern im Nucleus olivaris spricht die große Flächenzunahme, die zur Faltung der Struktur führt. Bei vertikalen Divergenzgittern hätte man anstelle der Flächenzunahme eine größere Dickenzunahme festgestellt. Der dafür nötige Platz ist jedoch im Hirnstamm gar nicht vorhanden. So sprechen mehrere gewichtige Gründe für diese Variante. Der wichtigste Grund ist allerdings die Wahrnehmung farbiger Nachbilder in den Komplementärfarben.

Wirbeltiere besitzen neben der Fähigkeit zur Hell-Dunkel-Analyse und zur Farbanalyse auch die Fähigkeit zur Erkennung von visuellen Objekten. Neben der Farbe und der Helligkeit solcher Objekte ist es vor allem deren Umriss, der eine Erkennung ermöglicht.

Hinweis des Autors nach Drucklegung:

Die Farbanalyse, wie sie im vorgegangenem Kapitel 7.4 beschrieben wurde, scheint so nicht ganz zutreffend zu sein. Bei der Überlagerung von drei Farberregungen in der Fläche kommt die quadratische Abhängigkeit der Erregungen ins Spiel, so dass die Überlagerungsfunktion eine Maximumcodierung aufweist! Das dargestellte Modell bedarf einer Überarbeitung.


Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan