Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

Vorwort

Diese Monografie ist dem Human Brain Projekt der Europäischen Union gewidmet.

1,19 Milliarden Euro investiert die Europäische Union in das Human Brain Projekt zur Erforschung der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Die bisherigen Ergebnisse sind recht mager, und die Zahl der Kritiker wächst. Am Enthusiasmus kann es nicht liegen. Die Befürworter versprechen sich riesige Fortschritte bei der Behandlung von Krankheiten, aber auch bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz, die das menschliche Gehirn um Größenordnungen übertreffen könnte. Woran hapert es also?

Etwa 60.000 Veröffentlichungen zu diesem Thema erscheinen jährlich. Angesichts der riesigen Informationsflut bedarf es offenbar einer Person, die willens und in der Lage ist, diese Menge an Fakten nicht nur zu verinnerlichen, sondern einen roten Faden  zu erkennen, der diese durchzieht und letztlich zur Erkennung der Wirkprinzipien des Gehirns führt. Diese Aufgabe hat der Autor nach seiner Ansicht gelöst und bietet dem Human Brain Projekt der Europäischen Union eine in sich geschlossene Gehirntheorie der Wirbeltiere an.
Nun sucht man im Human Brain Projekt nach einer Gehirntheorie des Menschen, doch sollten wir bedenken, dass der Mensch seinerseits zweifelsohne zu den Wirbeltieren zählt.
Die hier entwickelte Theorie beinhaltet einerseits die Entstehung des zentralen Nervensystems der Wirbeltiere im Verlaufe der Evolution, beginnend bei den einfachsten Bilateria mit einem Strickleiternervensystem. Weiterhin beinhaltet sie die Herleitung der Funktionsweise vieler Substrukturen des Gehirns in Bezug auf die in ihnen stattfindende Signalverarbeitung. Ein Makel dieser Theorie besteht darin, dass sie in deutscher Sprache vorliegt. Dieser Mangel kann durch eine Übersetzung in die englische Sprache abgestellt werden. Jemand, der die vielen hunderttausend Fakten der Hirnforschung zu einem Puzzle zusammenfügt, hat keine Speicherkapazität auf seiner Gehirnfestplatte übrig, um auch die englische Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen.
Der Autor hat geschätzt 20.000 Stunden Arbeit in dieses Projekt investiert, völlig uneigennützig und ohne Entgelt, und er ist nicht gewillt, diese Theorie unveröffentlicht mit ins Grab zu nehmen, zumal er das siebzigste Lebensjahr bereits begonnen hat. Diese Monografie ist quasi sein wissenschaftliches Testament für die Europäische Union. Der Springer-Verlag hat nach Einreichung der Monografie zunächst zugesagt, dieses Werk zu drucken und so der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Nach Abschluss der Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit wurde jedoch von einer Drucklegung abgesehen. Dennoch gebührt dem Springer-Verlag und insbesondere Frau Dr. Stephanie Preuss Dank für die damit verbundene Mühe.
Auch andere Verlage haben aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit abgesagt.
Daher erscheint diese Monografie im Eigenverlag. Hier macht es sich bemerkbar, dass man dabei weder auf ein Lektorat noch auf begabte Grafiker zurückgreifen kann, wenn man sich finanziell nicht völlig ruinieren will. Der Leser wird deshalb um Nachsicht gebeten.

***

Bis zum heutigen Tage liegt der Ursprung des Wirbeltiergehirns im Dunkeln. Es wird davon ausgegangen, dass es sich aus den einfachsten Nervensystemen der elementarsten Lebensformen herausbildete. Der Prozess begann vor über 700 Millionen Jahren. Keiner von uns ist dabei gewesen, und dennoch gibt es Zeugen dieser Entwicklung. Jeder Neuronenkern, jeder Nervenstrang, jede neuronale Substruktur im Wirbeltiergehirn legt Zeugnis ab von der schrittweisen Entwicklung des zentralen Nervensystems der Wirbeltiere.
Die fast unüberschaubare Menge von Fakten, die über das Nervensystem der Wirbeltiere, die Gehirne der Säugetiere und das menschliche Gehirn im Verlaufe von Jahrtausenden zusammengetragen worden ist, entzieht sich einer komplexen Betrachtung allein schon durch ihre Fülle. Bereits die bloße Aufzählung der Namen derjenigen, die wesentliche Beiträge zur Erforschung dieser Materie beigetragen haben, ist ein Fachgebiet für sich. Ebenso scheint es dem Autor unmöglich, für jeden Fakt die primäre Quelle zu belegen, mögen sich Wissenschaftshistoriker mit diesem wichtigen Anliegen beschäftigen.
Erschwerend für die Aufklärung der Funktionsweise des zentralen Nervensystems des Menschen ist der Umstand, dass sich inzwischen Wissenschaftler unterschiedlichster Gebiete mit diesem Thema befassen müssen. Diejenigen Vorgänge in der Zellmembran von Nervenzellen, die Aktionspotentiale ermöglichen, erfordern beispielsweise umfassendes Wissen auf den Gebieten der organischen Chemie und der Physik, selbst mathematische Aspekte sind zu beachten. Auch die Strukturen des menschlichen Gehirns und die der Säuge- und Wirbeltiere sind derart komplex, dass es viele Jahre braucht, um die wichtigsten von ihnen zu kennen. Die ungeheure Komplexität der Verbindungen zwischen den verschiedenen neuronalen Strukturen des Nervensystems verkompliziert das Erkennen einer Systematik, die zu vermuten wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Neurologie, die ein Teilgebiet der Medizinwissenschaften darstellt, alle Substrukturen, alle Nervenbahnen, ja fast alles mit lateinischen Begriffen belegt wurde, die Nichtneurologen einiges abverlangen.
Die Sehnsucht nach einer Antwort auf die Herkunft von Seele und Geist ist ungebrochen. Die Mathematiker nahmen sich dieser Thematik an und bildeten sehr abstrakte Modelle, um die Entstehung von Intelligenz in neuronalen Netzen zu analysieren. Der erreichte Abstraktionsgrad ist so groß, dass man in neuronalen Netzen zwar noch Objekte findet, die ähnliche Eigenschaften wie Nervenzellen aufweisen, jedoch sucht man vergeblich nach den Substrukturen, die beispielsweise im menschlichen Gehirn real vorhanden sind. Kein neuronales Netz besitzt einen Tractus tegmentalis centralis oder eine Pyramidenbahn. Analog zum sechsschichtigen Cortex des Menschen gibt es geschichtete neuronale Netze, doch hat deren Schichtung rein gar nichts mit den Neuronenschichten des Gehirns gemein. Natürlich haben diese Forscher das gute Recht, völlig abstrakt künstliche Systeme zu entwickeln, die Intelligenz hervorbringen. Aber ebenso haben andere das Recht, Modelle zu entwerfen, die sich in Struktur und Funktion am realen Gehirn orientieren, wie dies in dieser Monografie beabsichtigt ist.
Die hier vorgestellte Theorie beginnt beim Urschleim, bei den Einzellern, sie führt über die Mehrzeller und die segmentierten Bilateria zu den Chordaten. Nur so ist zu verstehen, wie das zentrale Nervensystem schrittweise entstand. Und eine Entwicklung, die sich über viele Millionen Jahre hinzog, kann, wenn man sie überzeugend nachvollziehen will, nicht kurz und bündig sein. Sie wird ausufernd sein, ins Detail gehen, jeden wichtigen Entwicklungsschritt aufzeigen müssen, denn nur dann entsteht eine in sich geschlossene Indizienkette, die überzeugend genug ist. Dem Leser wird also einiges an Geduld und Ausdauer abverlangt werden. Der eine oder andere wird feststellen, dass er zunächst selbst Wissenslücken schließen muss, um die dargestellten Theorieelemente zu verstehen. In den Kapiteln 1 und 2 wird daher der aktuelle Wissensstand zum Gehirn der Wirbeltiere und vor allem zum Gehirn des Menschen rekapituliert. Erst danach beginnt die Darlegung der vom Autor entwickelten Gehirntheorie der Wirbeltiere.
Die hier vorgestellte Theorie mag den Anschein erwecken, der Weg des Nervensystems vom primitiven Bilaterium bis zum Homo sapiens sei irgendwie eine logische und gesetzmäßige Abfolge von einzelnen Entwicklungsschritten. Aber wir sollten bedenken, dass es auf jeder Entwicklungsstufe Millionen von Varianten gegeben hat, die anders verliefen und deren Ergebnisse nicht auf den Pfad führten, den die Wirbeltiere, die Säugetiere oder gar die Primaten beschritten haben. Bei aller innewohnenden Logik ist der hier aufgezeigte Entwicklungsweg letztlich zufällig entstanden. Bei der Herleitung der hier vorgestellten Theorie gelang es dem Autor im Verlaufe vieler Jahre aus der Fülle der möglichen Entwicklungsvarianten diejenigen herausfiltern, bei denen einerseits die neuronale Verschaltung der beobachteten Realität entsprach, andererseits die dort stattfindende Signalverarbeitung sich nahtlos in das entstehende Gesamtsystem eingliederte. Viele der entwickelten Funktionsvarianten erwiesen sich im Nachhinein als falsch und wurden verworfen, korrigiert oder modifiziert. Unzählige Ordner mit Hypothesen und Faktensammlungen füllten den Keller des Autors und zeugen von den Bemühungen, eine Übereinstimmung von Theorie und Praxis zu erarbeiten.

In dieser Monografie wird eine Hypothese über die Entstehungsgeschichte des zentralen Nervensystems der Wirbeltiere vorgestellt. Mögen andere darüber befinden, ob die in dieser Arbeit vorgetragenen Indizien diese Theorie hinreichend stützen. Möglicherweise kann so eine neue Sichtweise gefördert werden. Die gegenwärtige Überschätzung der Synapsen im Gehirn, die in mathematischen Modellen möglichst umfassend dargestellt werden sollen, vernachlässigt die realen Signalwege im Wirbeltiergehirn. Wer sämtliche Neuronen und ihre kompletten synaptischen Verbindungen in einem realen menschlichen Gehirn kennt, weiß noch lange nicht, wie es arbeitet. Als Beispiel möge der etwa einen Millimeter große Fadenwurm Caenorhabditis elegans dienen, dessen 302 Neuronen und etwa 5000 chemische Synapsen komplett erkannt wurden, ohne dass man deren Zusammenwirken vollständig erklären kann. Man weiß also trotz der Kenntnis des kompletten Aufbaus nicht, wie sein Gehirn wirklich funktioniert.
Wer meint, die Quelle der Intelligenz liege in der Cortexrinde, wird seine Ansichten überdenken müssen. Das Gehirn des Menschen besteht aus unzähligen Substrukturen. Jede einzelne von ihnen ist wichtig. Fällt ein Subsystem aus, hat das meist schwerwiegende Folgen. Mediziner haben umfassende Fachbücher darüber geschrieben, welche Symptomatik z. B. der Ausfall einzelner neuronaler Strukturen nach sich zieht. Genannt seien beispielhaft der Thalamus, die Formatio reticularis, der Nucleus subthalamicus, das Striatum, die Substantia nigra pars compacta, der Hippocampus, die Amygdala, der Hypothalamus, der Cortex, das Cerebellum, aber auch das Rückenmark und sämtliche Sinnesorgane. Alle diese Substrukturen spielen im Human Brain Projekt der Europäischen Union nur eine untergeordnete Rolle.
Das Connectome-Projekt ist hier eine viel bessere Hilfe, erlaubt es doch, die realen Strukturen im Gehirn zu erkennen und zu studieren. Wir sollten uns mehr bemühen, das Zusammenwirken der Einzelteile in der Theorienbildung zu berücksichtigen. Nur der, der eine Pendeluhr, einem Ottomotor oder das Modell einer Dampfmaschine in ihre Einzelteile zerlegt hat, kann deren Funktion begreifen. Ähnliches gilt für das Gehirn. Ohne eine gute Kenntnis der neuronalen Substrukturen der Wirbeltiergehirne kann deren Funktion nicht erkannt werden.

An dieser Stelle sei allen gedankt, die den Autor bei seinen Bemühungen unterstützt haben.
Besonderer Dank gebührt Frau Almut Schüz aus Tübingen und Herrn Günther Palm aus Ulm für das Interesse an diesem Projekt, für Ihre Unterstützung und Förderung. Ebenso gedankt werden muss Herrn Karl Zilles, Herrn Richard Hahnloser sowie Herrn Ulrich Ramacher für ihr Interesse und ihre aufmunternden Hinweise.
Herrn Leo Gerbilsky aus Kiel gebührt besonderer Dank für die freundliche Begutachtung einer Vorgängerversion dieser Monografie im Auftrage des Springer-Verlages, auch wenn es damals letztlich nicht zur Drucklegung kam.
Frau Elisabeth Dägling gebührt großer Dank für das jahrelange Interesse am Thema, den regen Gedankenaustausch und das Lektorat der Vorgängerversion.
Gedankt sei hier aber vor allem Herrn Gerhard Roth, dessen wunderbares Buch "Wie einzigartig ist der Mensch? Die lange Evolution der Gehirne und des Geistes" den Ausschlag gab, über die schrittweise Entstehung der erkannten neuronalen Schaltungen der Wirbeltiergehirne im Verlaufe der Evolution nachzudenken. Wir wissen nicht zu wenig, sondern zu viel. Die Fülle der Fakten vernebelt die zu erkennenden Zusammenhänge.
 

Andreas Heinrich Malczan
Oranienburg, den 08.03.2020



Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan