ISBN
978-3-00-037458-6
ISBN 978-3-00-042153-2
Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan
Gewidmet in vorzüglicher Hochachtung Herrn Prof. Dr. Ulrich Ramacher,
der den Autor inspirierte, ein mehrstufiges Mittelwertsystem im Gehirn *) zu vermuten und der einen elektronischen Schaltplan des Gehirns als für möglich erachtete – mögen die Leser auch von seinem Werk „zur Konstruktion künstlicher Gehirne“ inspiriert werden
*) Seite 323 – Abb. 16.5 Auflösungspyramide
Die Cortexrinde ist nach
klassischer Ansicht von Neurologen der Ort der bewussten Wahrnehmung. Bekannt
ist eine topologische Organisation der Cortexrinde in sich ständig
wieder-holende Substrukturen, deren Hauptgrundlage die Zellsäulen darstellen.
Beschrieben werden die Barrel-Säulen im Cortex der Ratte oder die Farbblobs und
die Orientierungssäulen im vi-suellen Cortex. Eine Quellenangabe scheint
hier nicht nötig, da diese Fakten inzwischen zum Allgemeinwissen gehören.
Im visuellen Cortex konnte man Farbblobs und Orientierungssäulen zu Hypersäulen
zusammenfassen, weil man ihre signalverarbeitende Zugehörigkeit zu einem
bestimmten Pixel (Bildpunkt) der Netzhaut eines Auges erkannt hatte.
Während die Farbblobs und Zellsäulen durch geeignete Verfahren sichtbar gemacht
werden konnten, sind die Hypersäulen eine willkürliche, aber sinnvolle
Zusammenfassung auf Grund erkannter Verschaltungsstrukturen.
Eine solche willkürliche, aber sinnvolle Zusammenfassung von Neuronen der
Cortexrinde erscheint im Hinblick auf die Funktion des Gehirns dringend geboten
und wird daher vom Autor dieser Monografie vorgenommen.
Wir denken uns die Cortexrinde in kleine Raumeinheiten eingeteilt, die wir als Cluster bezeichnen. Einen einzelnen Cluster stellen wir uns als Zylinder vor, der alle sechs Cortexschichten umfasst. Da die Cortexrinde in Zellsäulen organisiert ist, möge ein solcher Cluster also auch mehrere Zellsäulen umfassen.
Die Cortexcluster dürfen sich
gegenseitig überlappen, so dass benachbarte Cluster eine gemeinsame
Neuronen-Teilmenge aufweisen. Diese Überlappung ist aus systemtheoretischer
Sicht sinnvoll, wie später gezeigt werden wird.
In jedem Cluster denken wir uns nun eine große Pyramidenzelle, die in der
Schicht V liegen möge. Wir unterstellen, dass dieses Neuron ein sogenanntes
Mittelwertneuron
ist. Mit seinem riesigen Dendritenbaum zapft dieses Neuron alle im Cluster
befindlichen Outputlieferanten an und bildet aus diesen Signalen einen
gewichteten Mittelwert.
Die vom Autor postulierten
Aktivitätsneuronen nutzen das bekannte Prinzip der Konvergenz neuronaler
Erregung. Viele Inputneuronen projizieren mit ihrem Output auf ein
magnocellulares Neuron. Während man die projizierenden Inputneuronen
gewöhnlicher weise in einem rezeptiven Feld zusammenfasst, wird hier angesichts
der räumlichen Ausdehnung des Inputgebietes von Clustern gesprochen.
Ein Cortexcluster ist also das räumliche Input-Einzugsgebiet eines großen,
magnocellularen Mittelwertneurons in der Cortexschicht V.
Wir unterstellen die mögliche Existenz von erregenden Interneuronen, deren
Aufgabe es ist, den größeren Dendritenbaum eines Mittelwertneuronen auch mit
Erregung der weiter entfernten Neuronen zu versorgen, die dieses
Mittelwertneuron nicht mit den eigenen Dendriten erreichen kann.
Ebenso unterstellen wir die mögliche Existenz von hemmenden Interneuronen, welche inputmäßig an die Axonkollateralen der Aktivitätsneuronen andocken und ihrerseits im Erregungsfalle die Aktivitätsneuronen der benachbarten Cluster hemmen, wodurch eine Kontrastverstärkung innerhalb der Signalpegel der Clustermenge stattfinden würde. Diese Hemmung möge aber relativ und nicht total sein, das heißt, die Hemmung der Nachbarclusterneuronen nimmt mit wachsender Feuerrate zu und mit wachsendem Abstand ab.
Die Begrenzung der Inputlieferanten eines Aktivitätsneurons auf ein Cortexcluster führen wir auf die Existenz einer entfernungsabhängigen Dämpfung der Signale zurück. Auch der Umstand, dass vorwiegend unmyelinisierte Axone die Erregung von den Signalneuronen zum Aktivitätsneuron übertragen, ist ein Grund für die Begrenzung der maximalen Signalreichweite.
Es sei an dieser Stelle noch nicht entschieden, ob die Signale über Aktionspotentiale oder lediglich unterschwellig über Membranspannungen übertragen werden.
Welchen Nutzen könnte die Natur aus der Existenz von Cortexclustern und zugehörigen Mittelwertneuronen ziehen?
Eine Hauptfähigkeit des Gehirns ist seine Lernfähigkeit. Beim Lernen werden verschiedene Signale sinnvoll miteinander verknüpft. Dazu muss das Gehirn jedoch zunächst erkennen, ob es überhaupt Signale gibt, und wenn ja, wo diese sich befinden.
Signale erreichen unser Bewusstsein in der Cortexrinde. Daher ist es zweckmäßig, die Cortexrinde in Beobachtungsgebiete zu unterteilen und in jedem Beobachtungsgebiet die Signalaktivität zu ermitteln.
Genau deswegen gibt es nach Ansicht des Autors die Cortexcluster. Jeder Cortexcluster ist ein Beobachtungsgebiet. Seine mittlere Signalaktivität wird mit Hilfe des dort befindlichen Mittelwertneurons gemessen.
Sind die Clusterneuronen inaktiv, so ist dieser Mittelwert das Nullsignal. Das Mittelwertneuron schweigt.
Wenn jedoch eine gewisse Mindestanzahl von Clusterneuronen aktiv ist, so liefert das Mittelwertneuron ein wahrnehmbares Signal, dessen Signalstärke – also Feuerrate – mit zunehmender Clusteraktivität ebenfalls zunimmt. Insofern ist dieses Mittelwertneuron ein Aufmerksamkeitsdetektor und darf auch als Aktivitätsneuron bezeichnet werden. Je aktiver die Signallage im Cluster, umso mehr Aufmerksamkeit sollte das Nervensystem diesem Cluster schenken.
Vereinbarungsgemäß mögen die Aktivitätsneuronen alle in der Schicht V liegen.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass es in Schicht V nicht weitere, andere
Neuronenarten geben kann. Die hier als Aktivitätsneuronen bezeichneten
magnocellularen, großen Pyramidenzellen in der Cortexschicht V sind jedoch
bereits nachgewiesen worden.
Daher ergibt sich nunmehr die Frage, welche Subsysteme des Gehirns die Outputsignale der Aktivitätsneuronen auswerten.
Es erscheint wichtig, den Output der Cortexcluster zukünftig streng auseinanderzuhalten. Die Clusterneuronen bilden die eine Outputgruppe, die Aktivitätsneuronen die zweite Outputgruppe. Es wird sich zeigen, dass diese grundlegende Zweiteilung sich in vielen Hirnstrukturen wiederfinden wird.
ISBN
978-3-00-037458-6
ISBN 978-3-00-042153-2
Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan